Dr. Birgit Wetzel

Die Arbeitsfülle meistern

Dr. Birgit Wetzel


Die Digitalisierung der Kommunikation hat unser Leben grundsätzlich verändert und unser Arbeitsleben enorm verdichtet und beschleunigt. Der ständig mögliche Zugriff auf Informationen, Netzwerke, Dokumente, Prozesse und Aufgaben haben dem Arbeitstempo einen kräftigen Impuls gegeben. Hinzu kommt in vielen Arbeitsbereichen eine zunehmende Komplexität und Mehrdeutigkeit, z. B. im Rahmen der Entscheidungsfindung. Wie wir uns auch anstrengen, wir werden nicht mehr fertig. Das Bild vom Hamsterrad ist zum Ausdruck dieser kaum zu bewältigenden Arbeitsfülle geworden, die einem Energie rauben und zur Erschöpfung führen kann.

Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Lähmung können bei zunehmender Arbeitsfülle hochkommen und die eigene Motivation negativ beeinträchtigen. Als Bewältigungsstrategie wird nach Tools der Arbeitsorganisation gerufen. Dieser Ruf folgt dem Glauben, dass durch eine bessere Arbeitsorganisation die Arbeitsfülle zu meistern ist. Doch das könnte ein Trugschluss sein. Wie also kann es dennoch gelingen, die wachsende Arbeitsfülle zu meistern?

Entsprechende Organisations-Werkzeuge gehören auf jeden Fall zum Repertoire für ein bewusstes Selbstmanagement i. S. einer besseren Selbstorganisation. Die Modelle reichen vom Sammeln über das Strukturieren hin zum Priorisieren von Aufgaben und Ziele bis zum Nachverfolgen ihrer Erfüllung. Das kann täglich, wöchentlich, monatlich oder auch quartalsweise erfolgen. Je höher die empfundene Arbeitsfülle, desto entlastender kann ein täglicher Prioritätscheck sein, paradox in einer Situation, in der Zeit fehlt. Und dennoch ist das ein richtiger Weg hin zu mehr Struktur und Ziel-Orientierung im Berufsalltag. Auch dem bewusst überlegten Einsatz von KI kann hier eine Bedeutung zukommen.

Das ist die eine Seite, um Arbeitsfülle zu bewältigen. Die andere Seite hat damit zu tun, sich selbst noch besser kennenzulernen und dabei zu erforschen, welche Art von Arbeit einem besonders liegt, worin man aufgeht, wozu man „Ja“ sagt und welche Rahmenbedingungen wichtig sind, um sich auf das Arbeitstun fokussieren zu können. Je mehr man Klarheit über sich selbst hat, desto mehr kann man Einfluss nehmen auf die Gestaltung seiner Arbeit und umso zufriedener wird man sein. Arbeitsfülle kann dann schon mal auch anders interpretiert und nicht mehr als solche empfunden werden. Gleichermaßen wichtig ist zu lernen, mentale Fürsorge zu betreiben. Regelmäßige Pausen vom digitalen Konsum sind eine wichtige Voraussetzung, um den Kopf frei zu bekommen, sich abzugrenzen und den Überblick zu behalten.

Methoden-Baukasten und Selbstreflexion sind die zwei Seiten von Selbstmanagement. Beides wird dann besonders wirksam, wenn es flankiert wird durch eine globalere Reflexion zu Arbeitsinhalten und -abläufen: Wer trägt welche Verantwortung? Geht es auch anders als in der bewährten Form? Welche Qualität & Quantität ist ausreichend für das Ziel? Diese übergeordnete Reflexion im Team durchzuführen, kann dazu beitragen, Rahmenbedingungen, Vorhaben, Verantwortung und Werkzeuge neu zu definieren und Veränderungen für individuelle Entlastungen auf den Weg zu bringen.

Es lohnt sich, diesen verschiedenen Ansätzen regelmäßig Zeit zu widmen und kleine Schritte auszuprobieren. Alleine die dabei empfundene Selbstwirksamkeit wird im Umgang mit den tagtäglichen Herausforderungen Energie geben und beflügeln.

29. April 2025